_Meinereiner_

“Ich habe keine Zeit, dir einen kurzen Brief zu schreiben, daher versteh bitte, wenn ich etwas ausführlicher werde!” sagte – da ist sich das weltweite Netz uneinig über die Urheberschaft. Wer auch immer, mir geht es als Pensionist genauso.

Geboren in Graz, aber aufgewachsen in Hannover, bis zum Abitur. Mitten drin ich, als die ersten „Gammler“ nichtstuend öffentliche Plätze belagerten, als aus dem Transistorradio Songs von Dylan, Donovan, Beatles, Stones, Kinks zu hören waren. Kurz vor dem Abi bekam ich dann ein Grundig TK 23 geschenkt, ein Vierspur-Tonbandgerät, um die Radiomusik zu konservieren. Und ich hatte meine erste kleine Plattensammlung: Da ich begonnen hatte, auf der Gitarre zu dilettieren, waren es vor allem The Shadows und Duane Eddy.

Unser Deutschlehrer, Herr Galley, der uns mit den Worten „Ich erschieß euch mit Katzenscheiße“ betonierte, wenn wir seine Geduld zu sehr strapazierten, hatte uns zwischen schriftlichem und mündlichem Abi zu sich nach Hause eingeladen – wir waren damals eine übriggebliebene Rumpftruppe von 13 Schülern. Nein, nicht zu gendern, eine reine Bubenschule. Er wollte von uns wissen, was wir denn mit unserem Schulwissen anzustellen gedächten. Ich war kühn und vermeldete: „Ich will vom Schreiben leben!“ Was mir ein mildes Lächeln vom Oberstudienrat und von den Mitschülern einbrachte.

Ich hatte ihn bereits in der schriftlichen Deutschmatura herausgefordert, weil ich zum Thema einer „Buchempfehlung für einen Freund, mindestens 1000 Wörter“ Jerome D. Salinger gewählt hatte, alles andere als ein deutscher Klassiker. „Der Fänger im Roggen“ hatte mich beeindruckt, und als Alibi wusste ich anzuführen, dass immerhin die deutsche Übersetzung des „Catcher in the Rye“ von Heinrich Böll überarbeitet worden war.

Galley war auch insofern ein angenehmer Zeitgenosse, als er für die Schularbeiten in der Themenauswahl regelmäßig auch ein politisches Sujet anbot. Ich wusste, dass er in der „WELT“ die Kolumnen von William S. Schlamm zu lesen pflegte, also las ich die auch, jeweils kurz vor einem Schularbeitstermin, verarbeitete das zu einem Aufsatz, von dem ich ziemlich sicher sein konnte, dass er kein Katzenscheiße-Attentat hervorrufen würde … eine frühe Übung in zielgruppenorientiertem Schreiben.

Ich merke schon, ich verzettele mich. Also weiter im Telegrammstil. Abitur gelungen, Studium der Rechtswissenschaften in Graz begonnen, das ich nach dem ersten Rigorosum beendete, da mir die Sprache der Juristerei erheblich gegen den Strich ging. Und immer noch geht, aber das ist eine andere Geschichte.

Über etliche Etappen, unter anderem als Religionslehrer an einigen steirischen Pflichtschulen, landete ich schließlich beim ORF-Landesstudio Steiermark. Durch einen Zufall. Es gab damals eine Vorlesungsreihe für Hörer:innen aller Fakultäten, Thema Journalismus. Vortragender war unter anderen Dr. Fritz Csoklich, unvergessener Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“; er lud uns zu einer Führung ein, die vor allem die technischen Aspekte der Zeitungsproduktion thematisierte. Damals wurde gerade vom Blei- auf Lichtsatz umgestellt, und die gewaltige Rotationsdruckmaschine, damals noch mitten in Graz angesiedelt, hinterließ einen mächtigen Eindruck.

Dr. Günther Ziesel vom Aktuellen Dienst des ORF Radios Steiermark provozierte mich mit seinen Ausführungen zur Objektivität journalistischer Arbeit, die kurz zuvor im Rundfunkgesetz verankert worden war. Und als Postulat ein tragendes Element der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellte. Ziesel war Vorsitzender des Redakteursrats des ORF, Gerd Bacher war damals Generalintendant, beide robuste Antipoden bei den zahlreichen Versuchen der Parteien, auf die Berichterstattung einzuwirken.

Und eines Nachmittags, am ersten Vorlesungstag nach den Weihnachtsferien, fand ich mich allein mit Landesintendant Emil Breisach vor dem Hörsaal wieder. Wir blieben auch allein, weil wir übersehen hatten, dass das Seminar erst für die Folgewoche angesetzt worden war. Es ergab sich ein nettes Gespräch, in dessen Verlauf Breisach mir die Frage stellte, die ich ähnlich von meinem alten Deutschlehrer gehört hatte – was ich mir denn als Beruf vorstellte. Irgendwas mit Journalismus, blieb ich vage. Ob ich denn Erfahrungen hätte? „Ein wenig!“ schwindelte ich. Es war mir immerhin gelungen, einmal eine Glosse in der „Kleinen Zeitung“ unterzubringen, ein Frühstart, der rasch wieder versandet war. Kurz gesagt, Breisach lud mich ein, beim damaligen Chefredakteur des Aktuellen Dienstes im Studio Steiermark anzurufen und mit ihm einen Termin zu vereinbaren.

Ich rief an, freute mich, dass Breisach mich tatsächlich avisiert hatte, und wurde von Chefredakteur Rudolf Muck eingeladen, im Funkhaus vorbeizuschauen. Selbstredend folgte ich der Einladung, wurde in einen Regieraum geführt, erhielt ein paar kurze Erklärungen und bekam einen Stapel aktueller Meldungen in die Hand gedrückt.

„Lesen Sie mal!“

Ich war begeistert, dass sich der Chefredakteur persönlich so viel Zeit nahm, mich zu herumzuführen. Als ich die Meldungen verlesen hatte, hörten wir uns die Aufnahme an, die ein Techniker mitgeschnitten hatte. „Nicht einmal schlecht!“ befand der Intendant. „Wir haben da unsere Sprecherseminare …“ Mir dämmerte, dass Rudi Muck offensichtlich der Meinung war, ich würde mich um einen Job als Mitarbeiter bewerben. Und ich widersprach nicht, sondern nützte meine Chance.

Ab dem nächsten Tag ging ich ins Funkhaus und stieg, learning by doing, ins Journalistenhandwerk ein. Julius Bunzmann, zusammen mit Muck und Willi Rosbaud das Dreigestirn, das von der Sendergruppe Alpenland der Nachkriegszeit über den Österreichischen Rundfunk (ab Staatsvertrag) bis zum ORF bewegte Jahre begleitet hatten, nahmen sich meiner an.

Das Schreiben der Meldungen für die regionalen Nachrichtensendungen, damals drei pro Tag, stand am Anfang. Und bald schon gab es Geld dafür, nach dem Honorarkatalog für Freie Mitarbeiter.

Ich hatte mein Ziel erreicht und verdiente als Schreibender.

Bald schon wurde ich mit dem Tonbandgerät, dem legendären UHER 4000, zu Pressekonferenzen geschickt oder organisierte mir selbst Termine, um aus dem steirischen Zeitgeschehen zu berichten.

Beizeiten kam dann auch die Arbeit fürs „Österreich-Bild“ dazu, das von allen Landesstudios mit Kurzbeiträgen beschickt wurde. Filme wurden damals noch auf 16 mm Celluloid gedreht, und wenn’s die Aktualität verlangte, brachte ein eine kleine Cessna oder Piper die unentwickelten Rollen auf den Küniglberg, wo sie entwickelt und am Schnittplatz mit den Off-Texten und Originaltönen verbunden wurden.

Fürs Fernsehen brachte ich nie die Begeisterung auf, die ich bei Günther Ziesel, Robert Seeger oder Willi Rosbaud feststellte. Mit dem kleinen Tonbandgerät war ich schnell und wendig, hatte optimale Gestaltungsmacht und lernte auch bald, Beiträge auf den großen Studiomaschinen selbst zu schneiden. Die TV-Arbeit hingegen erfolgte im Team, es musste zwischen Kameramann, Tontechniker und Redakteur abgestimmt werden, und wenn, oft genug, die Lichtverhältnisse nach Scheinwerfern verlangten, verging quälend viel Zeit mit der Vorbereitung für eine Aufnahme von wenigen Sekunden. Die Notwendigkeit war klar – lustig fand ich’s trotzdem nicht.

Herausfordernd und anregend war sie jedenfalls, die Vielseitigkeit der Arbeit im Landesstudio. Aktualität entwickelt sich selten wie geplant, und so wusste ich in der Regel nicht, ob ich den Tag mit einem Blasmusikwettbewerb in der Obersteiermark, einem Bericht aus dem Landtag oder einer Ausstellungsrezension verbringen würde. Oder mit allen drei Themen.
Highlights, aus Vielem herausgepickt: Am Tag nach der Ausstrahlung des ersten Kottan-Krimis mit Peter Vogel wurde ich zu einem Mord in Graz geschickt, der trotz aller Tragik mit seinen Skurrilitäten von Helmut Zenker und Peter Patzak stammen hätte können. Und als ich am Folgetag, es war Sauregurkenzeit, ein wenig Lokalkolorit vors Mikro holte, klingelte ich auch an die Tür des Mörders, wie sich später herausstellte. Er war aber nicht zuhause.

Die Vorbereitung der Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf wurde mir als Thema zugeteilt: Diskussionen, Vorträge, Pressekonferenzen über Monate, alles sehr interessant. Und intensiv – abends die Veranstaltung, der Zusammenschnitt daraus mit allen zu verfassenden Zwischentexten, Auswahl der OTs und dergl. mehr, am nächsten Morgen um 6 Uhr 45 wurde schon gesendet.

Irgendwann einmal war ich vom Freien Mitarbeiter zum angestellten Redakteur aufgestiegen, und kein Mensch verstand, dass ich nach einiger Zeit wieder kündigte. Aus vielerlei Gründen, auch aus eigenen Fehlentscheidungen. Ich war wieder „Freier“, begann auch für andere Abteilungen zu arbeiten, u.a. für Manfred Mixner in der Literatur und für den Familienfunk, damals Dr. Gudrun Gröbelbauer.
Gröbelbauer war eine Kollegin, die ihre journalistische Rolle ebenso wenig als Redaktionsbeamtin verstand. Und über einige Stufen und Stolpersteine, entwickelte sich aus einem Kabarett für einen „Familientag“ im Landesstudio die Kooperation mit den „Grazbürsten“, die einige Texte von mir in ihr Programm aufnahmen.

Dazu kam die Zusammenarbeit mit einer Werbeagentur, die ich mit konzeptivem und textlichem Input versorgte. Aus meiner Kulturberichterstattung heraus hatte ich zudem Kontakte zur „Galerie H“ bei Humanic bzw. zu Werbegenius Horst G. Haberl, ich bastelte Spots für Rundfunkwerbung und TV, und so kam eins zum andern im Lauf der Zeit, und ich konnte immer noch vom Schreiben leben, im weitesten Sinn.

Damals begannen auch meine „politischen Jahre“. Erich Edegger, ÖVP-Vizebürgermeister in Graz, holte mich in sein Team, und gemeinsam mit etlichen anderen, unkonventionellen Typen erarbeiteten wir einen Stil von Öffentlichkeitsarbeit, der bis heute seinesgleichen sucht. Die steirische Landes-VP, damals unter Josef Krainer jun., für die ich ebenfalls arbeiten durfte (Anti-Draken-Volksbegehren, Pickerl für „freiwillig Tempo 80/100“ rund ums damals aktuelle Thema des sauren Regens, Gestaltung einer frechen Zeitschrift „STEIL – Steirische Lebensart“ und dergl. mehr) schlug die Hände überm Kopf zusammen angesichts des vermeintlichen Wahnsinns, der da im Grazer Rathaus ausbaldowert wurde.

Der arme Georg Herberstein, der als Werbefachmann die Steirische Volkspartei betreute, hatte einmal mehr Pech. Schon als Horst Haberl den „franz“ für die HUMANIC-Werbung lancierte, hatte er in einer Pressekonferenz öffentlich die Verantwortung für „so einen Blödsinn“ zurückgelegt und sich damit viel Häme eingehandelt, nun kam ihm auch die Grazer Volkspartei abhanden, die er bislang als Ableger der Landespartei mitbetreut hatte.

Bei Erich Edegger wurde im Team gearbeitet, wobei er selbst die Pflöcke des neuen Grazer Weges einschlug. Einige dieser Pflöcke im Stenogramm: Auf Großplakate wurde verzichtet. Stattdessen gab es Publikumsveranstaltungen, keine Parteitags-Hochämter, sondern konsequent gepflegte und kontrovers geführte Veranstaltungsreihen wie „die Grazer Gespräche“. Und als regelmäßige Kommunikationsplattform gestaltete ich „die Grazer Argumente“, eine Zeitung, die vier Mal jährlich, sachlich und in die Tiefe gehend die aktuelle Kommunalpolitik als Postwurf in die Haushalte brachte. Unter anderem mit einer regelmäßigen Glosse des Grazer sozialdemokratischen Bürgermeisters Alfred Stingl. Alles auf einem kleinen Apple, vom Textieren über das Layout bis zur Bildverarbeitung – mehr als einmal kam Erich am Abend noch in mein Büro, und wir gingen die Seiten durch, bis er zufrieden war.

Im Hintergrund arbeitete unter anderem das socialdata-Team des Münchner Demoskopen Werner Brög, der mit seinem Public Awareness Konzept neue Wege der politischen Marktbearbeitung einschlug.

Griffiges, weil ebenso strittiges Hauptthema war für Edegger die „Sanfte Mobilität“, konkret gipfelnd in „flächendeckend Tempo 30, ausgenommen auf Vorrangstraßen“. Basierend auf den von Brög erhobenen Daten gestaltete ich Flyer für die Zielgruppe der Opinion Leaders – denen wir zeigten, dass die Zustimmung der Bevölkerung zu den Themen der „Sanften Mobilität“ deutlich höher lag als es die veröffentlichte Meinung suggerierte. Was zur Folge hatte, dass sich viele Unentschlossene zur Vernunft in Mobilitätsangelegenheiten bekennen konnten.

Das Ergebnis war, dass die Grazer Volkspartei in einer Zeit, in der es mit der VP gesamtösterreichisch bergab ging, bei der nächsten Gemeinderatswahl ein Mandat zulegen konnte. Die prophezeite Katastrophe hatte nicht stattgefunden, im Gegenteil.

Der nächste Coup, den wir unter Erich Edegger zu landen versuchten, blieb dann leider auf halbem Wege stecken. Es war die Idee einer tiefgreifenden Reform der Grazer Volkspartei, die unter dem Titel „die Grazer Stadtidee“ firmierte. Harter Kern war, zwölf ständige Arbeitskreise zu kommunalen Themen zu etablieren, mit völlig offenem Zugang für aktive Bürger:innen. Diese Arbeitskreise hätten dann aus ihrer Mitte je eine:n Sprecher:in gewählt … soweit so normal. Die Neuerung war: Diese frei gewählten Arbeitskreissprecher:innen hätten Sitz und Stimme im Grazer Stadtparteivorstand der VP erhalten. Ein entscheidender Schritt, aus einer Volkspartei eine Bewegung zu machen.

Bei einer Sitzung der Grazer Stadtparteileitung, bei der Edegger in einem thematisch weit angelegten Referat die Philosophie seiner Kommunalpolitik erläutern wollte, erlitt er eine Hirnblutung und wurde mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen, wo er einen Monat später starb. Kurz vor der nächsten Wahl in Graz.

In aller Eile wurde Ruth Feldgrill, damals Umweltministerin in Wien, als Spitzenkandidatin heimgeholt. Die „Grazer Stadtidee“, im Prinzip bereits von den Gremien abgesegnet und beschlossen, entschwand im Archiv. Und Graz hat, wage ich zu behaupten, damit eine große Zukunft hinter sich.

Es kamen andere Projekte, andere Herausforderungen – unter anderem knapp 30 Jahre Mitarbeit an den „Wirtschaftsnachrichten Süd/West/Donauraum“ Wolfgang Hasenhütls oder 26 Ausgaben des Lifestyle-Magazins „Vorfreude“, das im Sommer 2023 eingestellt wurde.

Und, last not least, gute zwei Jahrzehnte bzw. zwei gute Jahrzehnte der Zusammenarbeit mit Helmut Zwanzleitners Werbeagentur „Sterntaler“. Die – im Vergleich zur journalistischen Arbeit – von der Lust am Sprachspiel befeuert wird, am Kreieren von charakteristischen Spachbildern mit hohem Wiedererkennungswert. Texte, die Feriengefühle vermitteln (Sterntaler ist fokussiert auf Tourismuswerbung) und die schon beim Lesen ahnen lassen, was dich vor Ort erwartet.

Herausgekommen ist in all dem, über die Jahre, eine Reise durch ganz Österreich und Südtirol, mit vielen faszinierenden Stationen und insgesamt einem Hochgefühl für das wundervolle Land, in dem ich lebe.

Und wo ich nun, als Pensionist, meine Kommentare zur Zeit abgebe. Dr. Kurt Wimmer, seinerzeit Vizechef der „Kleinen Zeitung“, sagte mir seinerzeit: „Journalist werden sie nicht. Sie sind’s oder sie sind’s nicht.“ Ich bin’s, und nachdem es die Medien und Kontexte, für die ich arbeiten durfte, nicht mehr gibt, lebe ich’s halt auf den verbliebenen Wegen des weiten Gewebes der Internetze.