Hamburger statt Schnitzel

Hamburger oder Schnitzel?

Er ist der Kanzler, klar. Also lag der Fokus beim derzeit viralen Video auf Nehammer. Allerdings wurde das aufzeichnende Handy nicht von einem Profi geführt, sondern von einem begeisterten Amateur. Der nicht nur seinen Schnitzelkanzler groß ins Bild setzte, sondern auch das beifällige Umfeld aus dem Volk … nein, aus der Volkspartei.

Gut zu sehen die breit gefächerte Zustimmung bei der Entourage. Die ausnahmslos aus Männern besteht, mehrheitlich angegraut. Gut zu sehen also, wo das Problem – auch! – liegt: Nicht nur bei den Inhalten, die der Kanzler vom Stapel ließ, sondern auch beim Haltungen bestimmenden Umfeld von Themen, die Frauen betreffen. In Hallein zumindest haben sie nicht mitzureden.

Dass dann als Beschwichtigungs-Nachhut die Frau Frauenministerin ausrücken musste, tut dem homophilen Gesamteindruck der Veranstaltung keinen Abbruch. Peinlicher hat sich selten eine Frau in der Öffentlichkeit für die Verteidigung männlicher Rituale instrumentalisieren lassen.

Leistungsbereitschaft wollte der Kanzler dem Land, an das wir glauben wollen, einhämmern. Wenn er damit bezahlte Arbeits- oder Dienstleistung meint: Die ist, so darf man diesem Österreich glauben, durchaus vorhanden. Auch und vor allem dort, wo sich die erbrachte Leistung nicht monetär lohnt. In der Kinderbetreuung, in der alltäglichen Grundversorgung von Familien, in der Pflege, in der Unterstützung von Menschen, die aus den verschiedensten Gründen im Erbringen ihrer anteiligen Leistung – was immer das sein mag – gehindert sind. Im Ehrenamt. Es wird viel geleistet in diesem Land.

Und dann leistet sich der Schnitzelkanzler die hanebüchene Empfehlung, man möge doch Kindern einen Hamburger zum Mittagessen vorsetzen, wenn’s für mehr nicht reicht. Man darf annehmen, dass damit nicht Werbung für die amerikanische Billigbraterei beabsichtigt war. Wenngleich es schwierig sein dürfte, in einem beliebigen niederösterreichischen Landgasthaus Faschiertes zu ähnlichen Preisen serviert zu bekommen. Aber ich schweife ab.

Erschreckend die Realitätsblindheit unseres dritten Mannes im Staat … und ich hoffe, der erste, UHBP, fände klare Worte. Vom zweiten, dem Mann, der seinem goldenen Klavier nachtrauert, ist das ohnedies nicht zu erwarten. Der Kanzler hingegen muss wahrnehmen, dass die Quote der Teilzeitbeschäftigten in unserer Wirtschaft in komplexe Wechselwirkungen eingebettet ist und nur zum geringsten Teil von der Arbeitswilligkeit der Frauen abhängt.

Differenziertes und differenzierendes Denken ist die Stärke dieses Kanzlers offensichtlich nicht. Und auch die Claque seiner Funktionäre sieht den Nehammer lieber als vollmundigen Holzhammer denn als fein ziselierenden Kunstschmied geglückter Realitäten. Mit dem notorischen Video wurde einmal mehr deutlich gemacht, und man kann dieses Mal auch nicht böswillige Untergriffe irgendwelcher Medien ins Treffen führen: Diese Volkspartei macht sich nicht für die Kleinen im Lande stark, auch die untere Mittelschicht der Ich-AGs weiß inzwischen recht gut, wen die VP als ihre Klientel betrachtet.

Dass dieses entlarvende Video den Weg an die breitere Öffentlichkeit gefunden hat, obwohl es zunächst von enthusiasmierten Funktionären (Gendern erübrigt sich diesfalls) in den Rundlauf gebracht wurde, darf man durchaus als einen jener Zufälle betrachten, die aktuell politischer sind als unsere Politiker:innen selbst … Ogris, schau owa.

Nicht überhört werden sollte auch die Schuldzuweisung, die Nehammer ganz zu Ende formuliert hat und die leicht untergehen könnte, wenn zuvor schon die Empörung den Blick verdüstert hat: Es sei der quälende Umstand, zur Koalition mit einem linksalternativen Partner gezwungen zu sein, der dafür verantwortlich zu machen sei, dass die VP nicht so regieren könne wie sie wolle.

Selten war ich so froh über die grüne Regierungsbeteiligung wie in diesem Augenblick.


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