Kurzer Prozess

Der Wunschtraum aller, die meinen, im Recht zu sein. Oder zumindest recht zu haben. Oder das Volk zu sein. Man möge doch kurzen Prozess machen. Schluss machen mit all dem Gedöns, das nur Verunsicherung bringt.

Die Freiheitliche Jugend in Österreich ruft zur Tat in ihrem unsäglichen Videoclip, das kurzen Prozess macht mit dem Irrtum, diese unbedeutende Teilmenge der Jugend könne und wolle etwas mit einem demokratischen Österreich zu tun haben. Hier geht es, und die historischen Zitate bis hin zum sehnsuchtsvollen Blick hinauf zum Führerbalkon am Heldenplatz beweisen es, hier geht es um Faschismus. Hier geht es um kurzen Prozess mit entarteten Phänomenen wie Klimaklebern, mit subversiv differenzierenden Intellektuellen, mit sexueller Mehr-als-Zweideutigkeit.

Bisweilen dauert es, um rechtem Rechtsverständnis zum Durchbruch zu verhelfen. H. C. Strache musste den langen Weg durch die Instanzen gehen, bis er einen Höchstrichter fand, der es normal fand, dass Zuwendungen an Parteien mit politischem Entgegenkommen honoriert würden. Prigoshin musste zwei Monate lang zittern, bis der Zar im Kreml den Ukas zur Exekution exekutieren ließ – kurzer Prozess, weil ohne Prozess. Und quasi ein Gnadenakt, gemessen am sadistischen Umgang mit Abtrünnigen, die irgendwo in Sibirien als lebende Tote gehalten werden, von Zeit zu Zeit im Fernsehen in Erinnerung gebracht, als Ausweis der Allmacht des Herrn im Kreml, der allein über Zeit und Stunde befindet. Auch in Russland wird übrigens gewählt, demnächst wieder.

Kritische Beobachter der Zeit, von Carlo Masala bis Sascha Lobo, um nur zwei zu erwähnen, stimmen überein im Befund, dass Demokratien mitteleuropäisch-atlantischer Prägung zurzeit nicht in Expansion begriffen seien, um es freundlich auszudrücken. Vor allem scheint es in den meisten Schwellenländern als Ziel abhanden gekommen zu sein, Entwicklungen hin zu „westlicher Demokratie“ zu unterstützen. Wohin der Hase in der EU läuft, muss sich erst zeigen.

Und vor allem muss sich auch zeigen, ob den Menschen die Geduld gegeben ist, die mühsamen, langsamen, oft verschlungenen Wege demokratischer Evolution zu gehen, wenn auf der anderen Seite die trügerischen Verlockungen des kurzen Prozesses winken. Und der Heldentod. Was die Illiberalen, die Faschisten und die selbstbewusst Unterbelichteten dieser Erde eint, ist die Einwilligung in den Untergang durch die konsequente Ablehnung der Existenz einer lebensbedrohlichen Klimakatastrophe. Die trotzige Götterdämmerung von Idioten.


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