Zwischenfinale

„Müssen wir ständig einander vorlügen, Bescheid zu wissen?“ fragt FALTER-Urgestein Armin Thurnher in seiner Seuchenkolumne vom 25. August 2023. Für das “Urgestein” füttere ich umgehend das Phrasenschwein mit Bekömmlichem … Kompensation ist schließlich in Mode.

Der alte, verbale Haudegen – das Phrasenschwein bedankt sich neuerlich – sinniert rund um den Crash des Privatflugzeugs, in dem vermutlich Prigoshin mitsamt Führungsmitgliedern der Wagner-Privatarmee ums Leben kam. Nichts Genaues weiß man nicht, und diese doppelte Verneinung mündet logisch in die Behauptung, etwas wissen zu können. Zumal ja Wladimir Wladimirowitsch höchst persönlich der Familie Prigoshin kondoliert hat. Putin locutus, causa finita.
Möge er ruhen in Frieden, der eine vielleicht jetzt schon, der andere bald, erlaube ich mir zu hoffen.

Die Sache mit dem Bescheidwissen zieht erheblich weitere Kreise. Wir leben in der illusionären Blase der Scheingewissheit, informiert zu sein. Allerlei Medien liefern allerlei Berichte und Kommentare, und quasi unausweichlich tendieren wir dazu, die Landkarten mit der Landschaft zu verwechseln, frei nach Korzybski. Wer möchte sich heute noch die Skepsis eines Sokrates leisten?

Im Wettbewerb um das richtigere Richtig erreichen die unterschiedlichen Manifestationen des Bescheidwissens zum Teil abenteuerliche Skurrilität. In den Gruppierungen, die sich rund um Verschwörungstheorien ranken, oder bei den Adepten der politisch konstruierten “Spins” vergesellschaftet man das Besserwissen mit individuellem Gewinn. Ein trivialer Satz, der es einem Drittel der Österreicher:innen erlaubt, faschistisch zu wählen, bewusst oder empört unbewusst: “Wir sind das Volk!” … zur Parole eines bösartigen Mobs denaturiert. Und nebenbei statistisch ein Witz.

Groß ist auch regelmäßig die Enttäuschung, wenn “die Wissenschaft” nicht den Anspruch einlöst, Wahrheit zu verkünden. Die bedingte, kontextualisierte Richtigkeit von Aussagen genügt Menschen nicht, die gern glauben wollen dürfen. Der Satz, wonach etwas “wissenschaftlich bewiesen” sei – auch ein gut gefüllter Futtertrog fürs Phrasenschwein -, ist schlussendlich eine tiefe Missachtung wissenschaftlicher Arbeit. Sir Popper rotiert unterirdisch.

Wenn wir schon Philosophen zitieren, soll Herbert Kickl nicht unerwähnt bleiben, der notorisch leugnet, die Menschheit gehe einer Klimakatastrophe entgegen. Mit der Gelassenheit des Empirikers postuliert er, Klima hätte es immer schon gegeben. Sogar zu Zeiten, als es noch keine Menschen auf der Erde gab. Und man muss ihm recht geben. Klima wird es auch geben, wenn keine Menschen mehr auf der Erde leben.

Was müssen wir wissen, um einigermaßen zuversichtlich in Richtung Zukunft zu torkeln? Vielleicht nur, dass Wege beim Gehen entstehen. Unter den eigenen Füßen. Irrwege inklusive. Ohne den Mut zu solchen Wegen gibt es keine Zukunft, eine der wenigen Sicherheiten, die wir haben. Es braucht zugleich die Klugheit, die eigenen Wege, die eigenen Gewissheiten immer wieder zu überprüfen. Und unsere Gewohnheiten. Vor allem unsere Gewohnheiten.


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