NÖsterreich

Nehammer, Sobotka, Fleischmann, Ebner, Wöginger, Stocker … die gesamte Spitze der VP ist auf NÖ reduziert. Erstaunlich? Die Frage lässt sich mit einem klaren Jein beantworten.

Typisch österreichisch ist der Primat – sorry, das Primat der Bundesländer. Der Primat ist ein Menschenaffe, das Primat ist die tonangebende Rolle. Normal, dass sich in Zeiten wie diesen Verwechslungen einschleichen können. Die Bundesländer also. Seit jeher sowohl Klotz am Bein als auch Ideen- und Personalreserve der Volkspartei.

Aktuell sind die Bundesländer, mit der Ausnahme NÖ, erstaunlich ruhig. Schwer zu sagen, welches Etikett auf diese erstaunliche Zurückhaltung passt. Friedhofsruhe? Die Ruhe vor dem Sturm? Als Beobachter gewinnt man den Eindruck, die Landeshauptleute hätten sich in die sommerlichen Liegestühle zurückgezogen. Daumendrehend schauen sie zu, gebannt dem Ende des Dramas entgegensehend, das in einem Jahr ausgezählt wird.

Wir erinnern uns: Als vor Jahren – es scheint eine Ewigkeit her zu sein – „Django“ Mitterlehner nicht per Colt, sondern per Koalition mit Kern zu regieren versuchte, zündete der Lausbub aus Wien sein Projekt Ballhausplatz. Und die schwarzen Landeshauptleute machten lammfromm irgendeine, keine wirklich gute, Miene zur türkisen Umfärbelung, einergehend mit ihrer Entmachtung in Sachen Bundespolitik. Das Opfer war dem Wahlgewinn geschuldet, der dank skrupellos durchgezogenem Nationalpopulismus auch eintrat. Eine neue Generation von Politiker:innen betrat die Bühne, gemeinsam mit Strache, Kickl & Co.

Es ging nicht gut. Es wird noch eine Weile die Gerichte beschäftigen. Exkurs Anfang: Man darf hoffen, dass die gerade unter Juristen gern vertretenen Schmisse in Visage und Cortex das Postulat des unabhängigen Richters nicht überstrapazieren. Der Wert einer Verfassung wird nicht durch einverleibtes Bargeld, sondern durch de-facto-Unabhängigkeit der höchstgerichtlichen Organe gewährleistet. Exkurs Ende.

Wir waren beim Schweigen der Länder. Und sind ein wenig im Ungewissen – ist die Volkspartei noch türkis? Oder doch wieder schwarz? Armin Thurnher fasst es in „schwürkis“ zusammen. Man weiß in Graz, in Salzburg, in Linz, in Oberösterreich, in Innsbruck und in Dornbirn, dass im Vergleich zu 2017 der Zug im Ausrollen begriffen ist. Die Lokomotive fehlt, die Reserve steht schon in Klagenfurt am Abstellgleis.

Zurzeit wird die zweite und dritte Garnitur der ehemaligen message control aktiviert und in Spitzenpositionen der Volkspartei gehievt. Die Gags von heute erscheinen aufgewärmt, die türkise, überraschende Frische von 2017 als Ausdruck von scheinbar Neuem ist ins Schwürkise ausgegraut, die Themen sind so abgelutscht wie abgekupfert, vom Bargeld bis zum Schnitzel. Und die „neue Normalität“ gründelt überhaupt in der braunen Zwischenkriegszeit. Der Kanzler vulgo Schnitzelkanzler vulgo Duhammer: Respektsperson vom Scheitel bis zur Sohle. Difficile satiram non scribere? Im Gegenteil – das glaubt dir ja niemand, dass du dergl. erfinden könntest.

Die Bundesländer schauen also zu, je nach Temperament gelassen, enerviert, verhalten zornig, aber in Summe doch eher schmähstad, wie St. Pölten die Bundesrepublik zu NÖsterreich umformt. Eher an eine Bastelarbeit aus Versatzstücken erinnernd als an ein nachvollziehbares Konzept. Die Verniederösterreicherung der Alpenrepublik. Schade, dass Manfred Deix das nicht mehr zeichnen kann.

Sollen sie den Karren doch gründlich an die Wand fahren, hofft man vielleicht jenseits von blau-gelb. Danach wird der schwürkise Spuk gelaufen sein. Einzig Kickl macht sich Sorgen, ob sich dann noch eine Koalition mit der VP ausgehen könnte.

Und wenn dann alles gelaufen ist, gründen wir die ÖVP neu. Frei nach Erhard Busek, der das schon in den 1990ern angedacht hatte. Oder es nimmt den italienischen Weg. Wo ist heute die DC? So oder so, am Unterhaltungswert der kommenden Monate müssen wir nicht zweifeln.

Dass inzwischen etliche Dinge notwendig, im Wortsinn: Not-wendig, zu regeln wären, steht auf einem anderen Blatt. Dieses Blatt scheint irgendwo in den Akten verschwunden zu sein


Posted

in

by

Tags: